Artikel aus der "Sächsische Zeitung" SZ-Online vom 07.11.2017

 

„Wir brauchen einen öffentlich-rechtlichen Sportkanal“

Trainer Alexander Waibl spielt mit den DSC-Volleyballerinnen erstmals live im Fernsehen. Ein Gespräch über mediale Visionen und die Allmacht des Fußballs.

Alexander Waibl freut sich auf das erste Live-Spiel seines DSC im frei empfangbaren Fernsehen – gegen Vizemeister Stuttgart. „Wir wollen die Volleyballstadt Dresden deutschlandweit optimal präsentieren“, sagt er.
Alexander Waibl freut sich auf das erste Live-Spiel seines DSC im frei empfangbaren Fernsehen – gegen Vizemeister Stuttgart. „Wir wollen die Volleyballstadt Dresden deutschlandweit optimal präsentieren“, sagt er.

© Robert Michael

Die Volleyball-Bundesliga (VBL) feiert es als Meilenstein: Erstmals in der Geschichte werden in dieser Saison Erstligaspiele live im frei empfangbaren TV gezeigt. Auch der Dresdner SC profitiert von der Kooperation mit Spartensender Sport 1. Das Top-Duell am Mittwoch (19  Uhr, Margon-Arena) gegen Stuttgart ist die erste von drei Heimpartien des DSC, die gesendet werden. Trainer Alexander Waibl spricht über seine Erwartungen, Wünsche und Visionen, die er mit der Neuerung verknüpft.

Herr Waibl, der DSC als Gastgeber des TV-Spiels muss 10 000 Euro aufbringen, um die Übertragung zu gewährleisten. Ist das nun Segen oder Fluch?

Auf jeden Fall ein Segen. Aber hoffentlich ist es nicht das Ende der Fahnenstange, weil es aus meiner Sicht nicht sein kann, dass die einen dafür bezahlen müssen, um ins Fernsehen zu kommen, und die anderen dadurch reich werden. Wir bekommen es hin, weil wir für die Spiele Co-Sponsoren auftreiben. Es wäre schön, wenn das in Zukunft anders wäre, wir also damit direkt oder indirekt etwas einnehmen.

Weshalb kommt die Volleyball-Bundesliga nicht für die Kosten auf?

Die VBL ist ein Zusammenschluss der Vereine – und tut sich seit Jahren schwer, einen Ligasponsor zu finden, der solche Kosten decken könnte. Es geht um Geld, und das ist weder bei der VBL, noch beim Verband reichlich da. Deshalb wird versucht, das auf die Vereine umzulegen. In der Bundesliga haben wir in den letzten Jahren viel erreicht, was Reichweiten und die Besucherzahlen betrifft. Erfolg im Fernsehen ist für mich der nächste logische Schritt. Was wir brauchen, sind Chancen. Da bedauere ich, dass wir in Deutschland zu wenig für den Sport außerhalb des Fußballs tun.

Wie meinen Sie das konkret?

Ich kann von einem privaten Sender wie Sport 1 nicht erwarten, dass er Bildungsfernsehen produziert oder versucht, für sportliche Vielfalt im Programm zu sorgen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass wir ein öffentlich-rechtliches Programm haben, wo man rund um die Uhr Sport ausstrahlt. Damit meine ich auf keinen Fall Fußball, das haben wir ja schon. Ich meine einen staatlich finanzierten Sender, der den Menschen andere Spielsport- oder Individualsportarten näherbringt. Ich glaube, unsere Gesellschaft braucht das.

Spiegelt das sehr breite Fußball-Angebot im Fernsehen nicht doch das öffentliche Interesse wider?

Da gibt es mit Sicherheit eine große Schieflage. Wir haben eine Halle für 3 000 Zuschauer, in die Münchner Allianz-Arena passen 75 000 Menschen. Dementsprechend verfügen die über weitaus mehr Geld und Möglichkeiten. Aber da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht mehr. Das liegt daran, dass sich der Markt zu dieser Monokultur entwickelt hat. Andere Sportarten finden keine Möglichkeit, sich da zu behaupten. Ich sehe auch nicht, dass sich da was ändern könnte. Wenn man nur die Quoten nimmt, ist der Gewohnheitsfaktor Fußball in den letzten Jahren so stark entwickelt worden, dass es schwierig ist, etwas anderes zu rechtfertigen.

Das heißt?

Wir müssen loskommen von der Frage nach der Quote. Wir müssen als Gesellschaft dahinkommen, uns zu fragen: Was wollen, was brauchen wir für unsere Jugend, unsere Kinder? Wollen wir, dass alle Fußballer werden? Oder möchten wir anderen Sportarten Chancen geben, Vorbilder schaffen. Dafür müssten die Kinder diese Vielfalt aber auch sehen, live vor Ort oder im Fernsehen. Die Mittel dafür bekommen wir entweder durch staatliche Hilfen oder aus der Wirtschaft.

Die Deutsche Fußball-Liga unterstützt die Deutsche Sporthilfe jährlich mit Leistungen um die 600 000 Euro. Müsste da mehr kommen?

Wenn ich Fußballer wäre, würde ich das genauso machen. Ein bisschen Geld rüberschieben und so den Druck vom Kessel nehmen. Die Fußball-Bundesliga hat natürlich im Vergleich mit den utopischen TV-Geldern in England auch Grund zu klagen. Aber da fehlt mir jegliche Relation. Müssen wir akzeptieren, dass ein Spieler 222 Millionen Euro kostet? Wenn man überlegt, welche Summen da bewegt werden, wären 60 Millionen als Ausgleich für die anderen Sportarten noch zu wenig. Wenn man als Gesellschaft die Idee hat, erfolgreiche Sportler bei Olympischen Spielen zu sehen, muss man dafür Chancen schaffen. Das geht nur, wenn andere Sportarten professionell arbeiten können.

Also wird Ihr Sohn Mika wahrscheinlich mal Fußballer?

Wenn er Handballer oder Fußballer wird, bin ich glücklich. Das ist nicht das Problem. Er soll einfach die Chance haben, verschiedene Dinge auf einem guten Niveau auszuprobieren. Ich liebe Fußball, bin auch großer Fan. Ich bedauere halt nur, dass wir so wenig für andere Sportarten tun.

 

Das Gespräch führte Alexander Hiller